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Salento: Zu Besuch in Kolumbiens beliebtestem Kaffeeanbaugebiet

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Überrascht schaut Alessia auf die runden gelben und roten Beeren, die Don Elías ihr zeigt. Er öffnet die rote und schält zwei blasse, nasse Bohnen heraus. „Pobier mal“, sagt er zu der 22-jährigen Touristin aus Kanada, „sie sind süß.“

Alessia schaut ihn misstrauisch an, nimmt dann doch eine Bohne und steckt sie sich in den Mund. Ihre Augen werden groß „Die sind ja wirklich süß!“ Sie lacht. „Und das sind Kaffeebohnen? Ich trinke gern Cappuccino, jeden Morgen. Aber ich hätte nie gedacht, dass Kaffee aus einer süßen Frucht gemacht wird.“

Liebe zum Kaffee – wir zur Familie

José Elías Pulgarín kennt das schon. Seit der 89-jährige Kaffeebauer die Tore seiner Farm für Touristen aus aller Welt geöffnet hat, weiß er, dass die meisten Menschen glauben, dass die bittere, braune Kaffeebohne schon so am Strauch wächst, wie sie aus der Tüte kommt. Dabei ist es von der Frucht bis zum Produkt ein langer Weg.

Allein drei Jahre braucht schon die Pflanze, bis sie zum ersten Mal Früchte trägt. Geerntet wird in der Regensaison. „Dann müssen wir die Bohnen schälen und fermentieren, trocknen und rösten“, sagt Don Elías, als er seinen Gästen die einzelnen Schritte der Kaffeeproduktion erklärt. „Seit ich weiß, wie viel Arbeit das macht, liebe ich den Kaffee genauso sehr, wie ich meine Familie liebe.“

Handwerk statt Massenproduktion

Das vier Hektar große Anwesen der Familie von Don Elías liegt am Hang eines grünen Berges zwischen der pittoresken Stadt Salento und dem Flussbett des Quindio. Hier, 1700 Meter über dem Meeresspiegel, herrschen ideale Bedingungen für den Kaffeeanbau.

„Es gibt wenig Schädlinge und den nötigen Regen, sodass der Kaffee auf natürlichem Wege gut gedeihen kann“, sagt Don Elías. Er baut die Sorten Arabica und Colombian Milds an – Letztere eine Untersorte der Ersteren mit weniger Koffein und Säure. Robusta, oft auf großen Farmen für die Massenproduktion kultiviert, hat er nicht im Programm.

Salento ist nur eine von Hunderten kleinen Städten in Kolumbiens „Eje Cafetero“, das auch Kaffee-Dreieck genannt wird. Es ist Teil des Unesco-Welterbes und erstreckt sich über drei Provinzen: Caldas, Risaralda und Quindío, wo es mehr als 800 Kaffeefarmen gibt. Das einst vergessene und verschlafene Salento ist deshalb in die erste Liga kolumbianischer Reiseziele aufgestiegen.

Kochbanane mit Käse, Fleisch und Grünzeug

Das liegt aber nicht nur am Kaffee, sondern auch an seiner einmaligen Bebauung. Der amerikanische Fernsehsender CNN hat das Örtchen erst kürzlich zu einer der zehn interessantesten Städte der Welt gekürt – wegen seiner „Ansammlung von ein- und zweistöckigen Gebäuden, meistens weiß, aber mit farbig leuchtenden Fensterrahmen und Türen in traditioneller Bahareque-Architektur“, wie es in der Begründung heißt.

Die Häuser sind aus Bambus und Lehm gebaut, im Paisa-Stil, der nach einer Bevölkerungsgruppe im Nordwesten des Landes benannt ist. Vor allem auf der Calle Real, der zentralen Straße des Ortes, sind diese Häuser noch zu bewundern. Unzählige Shops und traditionelle Restaurants laden zum Einkehren ein, um zum Beispiel Forelle in allen erdenklichen Zubereitungsarten zu essen – gegrillt, „al ajillo“, mit Pilzen oder sogar im Burger. Interessant schmeckt auch patacón: Kochbanane überbacken mit Käse, Fleisch und Grünzeug. Vorzüglichen Kaffee trinken kann man hier natürlich auch.

Salento, 1842 gegründet, liegt an der ehemaligen Straße, die Bogotá und Popayán miteinander verband. Als sie modern ausgebaut und schneller befahrbar wurde, geriet das Örtchen, bisher ein beliebter Zwischenstopp, in Vergessenheit und wurde in seinem ursprünglichen kolonialen Stil konserviert. „Als ich in den späten 80er-Jahren hierherkam, wurden Kartoffeln und Tomaten angebaut, Milchkühe gehalten, Käse wurde hergestellt. Überall gab es Hühner und Schweine. Touristen hingegen keine“, sagt Roberto Duarte, der für sein „Churrita Hostel“ damals umgerechnet gerade mal 600 Euro zahlte.

Nur fünf Jahre später kamen die ersten Besucher nach Salento: Hippies aus Argentinien, den USA, Europa. „Sie entdeckten mit Salento einen wundervollen, unberührten Ort – und erzählten ihren Freunden davon.“ Jedes Jahr, sagt Roberto, kamen seither mehr Touristen. Die Einheimischen begannen, Hostels und Restaurants zu eröffnen, die Frauen gaben ihr Hausfrauendasein auf und beteiligten sich am Geschäft. Innerhalb von nur drei Dekaden wurde aus dem verschlafenen 2000-Seelen-Örtchen ein ebenso belebtes wie beliebtes Städtchen mit gut 7000 Einwohnern.

Kein Düngemittel, keine Chemikalien – doppelter Preis

Warum der Kaffee hier so besonders schmeckt, erklärt Don Elías seinen Besuchergruppen jeden Tag aufs Neue. Der Hauptgrund: Er verzichtet auf Düngemittel und Chemikalien. Darum kann er die 2000 Kilogramm, die er jedes Jahr produziert, mehr als doppelt so teuer verkaufen wie industriell hergestellten Kaffee – für 10.000 Pesos, rund drei Euro pro Kilogramm. Moderne Maschinen nutzt Elías nicht, genauso wenig wie die anderen Farmer in der Gegend. Geerntet wird überall noch von Hand, geröstet in einer alten Pfanne auf einem Holzofen. Eine leichte Kaffee-Brise weht dann durch den Garten.

Die getrockneten Bohnen werden braun. Je länger sie geröstet werden, desto weniger koffeinhaltig und bitter ist der Kaffee. „Wir machen das anders als die Brasilianer, die riesige Mengen produzieren mit Dünger und großen Maschinen. Die verkaufen zwar mehr – aber wir verkaufen bessere Qualität“, sagt Elías. Dass er der Massenproduktion kritisch gegenübersteht, ist nicht zu überhören. Die gibt es in Kolumbien anderswo aber durchaus – das Land ist schließlich viertgrößter Kaffeeproduzent weltweit, nach Brasilien, Vietnam und Indonesien.

Am Ende der Tour, die 6000 Pesos kostet, knapp zwei Euro, verkosten Alessia und die sechs anderen Besucher eine Tasse von dem Kaffee, dessen Herstellung sie gerade bestaunt haben. Hunde und Hühner laufen und springen um sie herum, auch Elías‘ Enkelkinder, die gerade von der Schule kommen.

„Der Tourismus ist das Beste, was uns Kaffeeproduzenten hier in Salento passieren konnte“, sagt er. Elías erinnert sich noch genau an diesen Moment. 2008 war das, als Timothy – ein Brite, der ein Hostel im Dorf gekauft hatte – mit drei Fremden bei ihm auftauchte. „Sie fragten mich, ob ich ihren Gästen meine Farm zeigen könnte. Für Geld.

Wir vereinbarten 3000 Pesos, also einen Euro, inklusive Führung. Sie fanden das großartig. Ich auch.“ Am nächsten Tag sei Timothy mit sechs Besuchern gekommen, am Tag darauf mit neun. Mittlerweile hat Elías den Preis für seine Führungen verdoppelt. Täglich kommen Dutzende Menschen aus aller Herren Länder zu ihm. „Ein Geschenk Gottes“, sagt Elías.

Die Zeit der Drogenbarone und Farc-Rebellen

Was Salento zum beliebtesten unter Kolumbiens Kaffeeanbaugebieten macht? „Ich denke, dass es hier sicher ist. Und die Landschaft, vor allem das Cocora-Tal, ist einzigartig“, sagt Timothy, der englische Besitzer des „The Plantation House“ in Salento. „Als ich hier ankam, fand ich eine bezaubernde Stadt vor, umschlossen von Bergen, mit dem besten Kaffee der Welt. Darum bin ich geblieben.“

In den 70er- und 80er-Jahren war die Region von den Farc-Rebellen und Drogenbaronen wie Carlos Lehder Rivas eingenommen worden, der einst ein Hotel in Salento hatte eröffnen wollen. So weit ist es jedoch nie gekommen. Lehder wurde gefasst und an die USA ausgeliefert. Heute ist Salento ein friedlicher Ort. „Für Menschen aus Bogotá, Medellín und Cali ist das hier der Himmel: Durch die Straßen zu laufen, ohne Angst haben zu müssen, ausgeraubt zu werden“, sagt Catalina Morin, eine Studentin aus Cali.

Heimat des kolumbianischen Nationalsymbols

„Die Touristen lieben es nicht nur, sich die Farmen anzuschauen und hochwertigen Kaffee zu kaufen, sie kommen auch wegen der Menschen, die das Land mit ihrer Arbeit und ihrer Art beseelen“, sagt Roberto Duarte. Der 69-Jährige steht auf der Terrasse seines Hauses im Cocora-Tal, das zum Nationalpark Los Nevados gehört, ideal zum Wandern und Reiten.

Das Tal ist obendrein die Heimat eines kolumbianisches Nationalsymbols: der Wachspalme, die bis zu 60 Meter hoch werden kann. Mit ihren Blättern berührt sie den mystischen Nebel, der den Gipfel des Cerro Morrogacho umgibt. Eine weitere Attraktion sind die nahe gelegenen Santa-Rita-Wasserfälle – der perfekte Ort für eine Abkühlung an heißen Tagen. Roberto schaut der sinkenden Sonne entgegen und nippt an seiner fünften Tasse „tinto“, pechschwarzem, starkem Kaffee. „Seit ich hier lebe“, sagt er, „trinke ich meinen Kaffee ohne Zucker. In Salento ist das Leben süß genug.“

Tipps & Informationen

Anreise: Zum Beispiel von Frankfurt mit Lufthansa nonstop oder mit Delta über Atlanta nach Bogotá. Von dort weiter mit dem Bolivariano-Bus nach Armenia oder Pereira (6–8 Stunden). Aus beiden Städten fahren mehrmals täglich Busse nach Salento (ca. 45 Min.).

Unterkunft: Etwa im „Hotel Salento Real“, einem Haus im Kolonialstil, DZ inkl. Frühstück ab 43 Euro. Alternativ im modernen Hostel „Beta Hostel“, DZ ab 44 Euro oder im klassisch kolumbianischen „The Plantation House“, DZ ab 16 Euro.

Kaffeetouren: Zum Beispiel auf Don Elías‘ Farm „Cafetera Las Brisas“, Tel. 0057/315/606 11 13

Auskunft: Über Procolombia

Die Homepage besuchen:

http://www.welt.de


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